Kirche, Gebäude und Einrichtungen

Kirchenneubau

Da der erste Rektor in Baukau, bzw. spätere Pfarrer Franz Becker als ehemaliger Dominikanerpater besonderen Wert auf einen würdigen und feierlichen Gottesdienst legte, war er natürlich sehr um die Errichtung einer Kirche bemüht. Über die Schwierigkeiten bei diesen Vorhaben und das Verhältnis der Baukauer zu ihrer Mutterkirche ist in der Kirchenchronik zu lesen:

Baukau hat sich stets als Stiefkind behandelt gefühlt; darum war auch das Verhältnis zur Mutterkirche kein gerade gutes. Wie tief die Abneigung gegen Herne auch bei Baukauer Laien war, mögen einige persönliche Erlebnisse kennzeichnen. Als Kaplan Humpert angestellt wurde, begab er sich zuerst zum Pfarrer von Herne, da er die Verhältnisse nicht kannte. Dieser führte ihn zum damaligen Rektor Becker. "Den hat Herne uns gebracht", und er fand darum eine etwas kühle Aufnahme. In der Folgezeit verkehrten Kaplan Humpert und später auch Kaplan Rode häufig mit den Herner Geistlichen, auch beim Pfarrer daselbst. Sehr oft ist den beiden dieser Verkehr von Baukauer Laien versteckt und offen vorgehalten worden und ist es dieserhalb zu vielen Missstimmungen und manchem Misstrauen gekommen. In der ersten Kirchenvorstandssitzung, als die Leiche des Pfarrer Beckers noch über der Erde stand, musste Kaplan Humpert das erfahren. Bei diesem gespannten Verhältnis haben wir es für ein Glück erachtet, dass der Dechant und Pfarrer von Herne an der Beerdigung des verstorbenen Pfarrers Becker nicht teilnehmen konnte, da er im August schon in die Ferien abgereist war. Hätte der Genannte die Leichenrede gehalten, so hätte Tumult in der Kirche entstehen können. Baukau fühlte sich als Stiefkind behandelt. Nur das Allernotwendigste hatte die Gemeinde erhalten, als sie mit eigenem Gottesdienst begann; und doch hatte Baukau kräftig mitgeholfen, in der Mutterpfarrei Kirche und Krankenhaus zu bauen.

Als jetzt für Baukau eine Kirche gebaut werden sollte, bewilligten die kirchlichen Organe im November 1897 für Bauzwecke 40.000 Mark - aber mit der Voraussetzung, dass der Bauplatz für 500 Mark zu kaufen sei. Zur selben Zeit wurde von denselben kirchlichen Organen für Erwerb eines Kirchplatzes, wo jetzt die Herz-Jesu-Kirche steht, über 10.000 Mark bewilligt und beschlossen, alle Ersparnisse für den Bau der Herz-Jesu-Kirche anzulegen. Am April 1899 wurden von der Landesbank die bewilligten 40.000 Mark aufgenommen. Im Juni 1900 wurde noch ein Kredit von 20.000 Mark nachbewilligt, soweit das Geld erforderlich war. Für die Herz-Jesu-Kirche wurden gegen 200.000 Mark in Aussicht genommen - Baukau musste sich mit einer halben Kirche (uns was für einer) für etwa 60.000 Mark begnügen. Die innere Einrichtung zu beschaffen wurde natürlich Baukau überlassen. Bei der Abpfarrung im Jahre 1902 erhielt Baukau die Kirche für ungefähr 60.000 Mark, dafür zahlte die Gemeinde an die Mutterpfarrei 36.000 Mark, und außerdem hatte Baukau noch den gesammelten Baufont in der Höhe von ungefähr 13.000 Mark an Herne abgeben müssen. Ob diese letzte Summe mit beim Kirchbau in Baukau verbraucht ist oder ob sie für den Baufonds der Herz-Jesu-Kirche verwendet ist, entzieht sich unserer Kenntnis; jedenfalls hatte die Tochterkirche von der Mutterkirche ein recht bescheidenes Erbteil erhalten, während die zukünftige Herz-Jesu-Pfarrei sich der Sonne der mütterlichen Gunst erfreute. Diese verschiedenartige Behandlung der zwei Töchterpfarreien ist recht seltsam und verwunderlich. Wenn die Herz-Jesu-Kirche abgepfarrt ist, dann steht sie der Muttergemeinde gerade noch so nahe und so fern wie Baukau auch. Über dieser ungleichen Behandlung liegt eine gewisse Tragik. Wie man jetzt oft hört, ist die Herz-Jesu-Kirche an eine ungünstige Stelle gebaut und es wäre besser gewesen, eine etwas billigere Kirche dorthin zu bauen, damit Constantin besser bedacht werden konnte. Für dasselbe Geld hätten zwei Kirchen gebaut werden können und sie hätten doch besser sein können, wie die in Baukau.

Das "Wohlwollen" der Muttergemeinde hat Baukau noch lange Jahre gefühlt. Die Gemeinde musste ihren Steuersatz auf 90% erhöhen und man weiß nicht, wann dieser hohe Steuersatz herabgesetzt werden kann. Baukau hat sich sogar auf den Bettelweg angewiesen gesehen. Eine Kirchen- und Hauskollekte musste es erbitten, um an den Ausbau seiner Kirche denken zu können. Aber Baukau wird sich emporarbeiten, es hat je gute Aussichten für die Zukunft, seine Bevölkerung wächst von Jahr zu Jahr und vielleicht wird es noch einmal günstiger dastehen wie die glücklichere Schwestergemeinde der Herz-Jesu-Kirche, die mehr Erbteil erhält und dabei doch mehr Schulden hat und auch nicht eine so aussichtsvolle Zukunft.

So gelang es, nach Überwindung größerer Schwierigkeiten, im März 1899 mit den Vorarbeiten des Kirchenneubaues zu beginnen und am 23. Juli 1899 den Grundstein zur jetzigen Marienkirche einzumauern, der am linken Pfeilerbogen im Chor der Kirche aufzufinden ist.

In den Grundstein wurden eingemauert: eine Urkunde, der Plan der Kirche und Münzen der damaligen Zeit. Der Text der Urkunde zur Grundsteinlegung der St.-Marien-Kirche lautet in deutscher Übersetzung:

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Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit,
des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Zur Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria,
der Schmerzhaften Mutter!

Unter dem Pontifikate Leo´s XIII. und der Regierung des deutschen Kaisers Wilhelm´s II., Königs von Preußen, zur Zeit mächtigen Aufschwunges der hiesigen Industrie, als die Zahl der Katholiken in Baukau von geringen Anfängen in wenigen Jahren auf fast 4000 angewachsen war, so dass die kirchliche Behörde für dieselbigen - sie gehörten bis dahin zur Pfarrei Herne - bereits ein eigenes Rektorat gegründet hatte, wurde heute am Fest des hl. Liborius, unseres Diözesanpatrons, nachdem am Morgen die Feier des Gedächtnisses des hl. Papstes Leo´s III. Angekündigt war, der vor 1100 Jahren in Paderborn eine für das christliche Volk bedeutungsvolle Zusammenkunft mit Karl dem Großen hielt und bei dieser Gelegenheit in der Krypta der Domkirche einen zu Ehren des hl. Erzmärtyrers Stephanus errichteten Altar konsekrierte, vom hochw. Herrn Dechanten Franz Holtgrewen in Vertretung des hochw. Herrn Diözesanbischofs Dr. Hubertus Simar, unter Teilnahme des hochw. Herrn Pfarrers Franz Schaefer von Herne und Rektors Franz Becker von Baukau, in Gegenwart vieler hochwürdiger Herren aus dem Klerus und hervorragender Herren des Laienstandes, sowie unter der jubelnden Freudenbezeugung einer großen Schar des gläubigen Volkes, dieser Grundstein dem Fundament der neuen Kirche eingefügt, die zu Ehren der Schmerzhaften Mutter auf dem Grundstück erbaut wird, das unser Mitbürger, Herr Heinrich Westerworth, mit großer Freigibigkeit uns überlassen hat.

Möge mit dem steinernen auch zugleich der innere Tempel des Heiligen Geistes von Tag zu Tag erfreulicher erstehen! Das verleihe gnädig der dreimal heilige Gott!

Zur Beglaubigung unterzeichneten eigenhändig:

Franz Holtgreven, Dechant,
Franz Schaefer, Pfarrer,
Franz Becker, Rektor;
H. Wielers, Architekt.

Baukau, im Jahre des Herrn 1899, am 23. Juli.

Den Plan für den Neubau der Marienkirche hat Architekt H. Wielers aus Bochum im Januar 1899 hergestellt. Es handelt sich um eine dreischiffige, gotische Hallenkirche mit Querschiff und waagerechter Decke. Die Außengestaltung der Kirche geschah im Ziegelrohbau durch Maschinenringofensteine unter teilweiser Verwendung von Blend- und Formsteinen. Die Maßwerke der Fenster und Rosetten wurden aus Formsteinen hergestellt, Kapitelle und Sockel der Säulen und Dienste aus Sandstein, während die Schäfte der Säulen und Wanddienste gemauert wurden. Der südliche Kirchenausgang wurde provisorisch gebaut ohne jegliche Architektur, da die Kirche ja später erweitert werden sollte. Der Laienraum bot 1340 Personen Platz. Zur Aufnahme einer kleinen Glocke diente ein Dachreiter, welcher aber 1946 abgebrochen wurde. Zuerst wurde der Chor, das Querschiff und zwei Joche des Langschiffes sowie die Nebenräume unter der Leitung des Architekten von der Firma Heinrich Dickhoff gebaut. Der Kirchenneubau wurde im Sommer des Jahres 1900 für 76.143,03 Mark einschließlich der Architektenkosten fertiggestellt und konnte am 5. August gleichen Jahres durch Dechant Holtgreven aus Weitmar benediziert werden. Wie das Gesamtbild der Wielers´schen Kirche aussehen sollte, ist aus den vorhandenen Bauplänen nicht zu ersehen.

Nun hatte Baukau ein eigenen Gotteshaus, und es dauerte nicht mehr lange, bis am 29. September 1901 die kanonische Errichtung der Pfarrei St. Marien erfolgte, als deren erster Pfarrer Rektor Becker am 16. Dezember 1901 ernannt wurde.

Da Baukau aus eigener Kraft nicht an den Weiterbau der Kirche denken konnte, war das Bestreben des Pfarrers darauf gerichtet, eine Kirchen- und Hauskollekte genehmigt zu bekommen. Zu diesem Zwecke suchte er sich auch mit dem Amtmann Dr. La Roche gut zu stehen, obwohl dieser ein abgefallener Katholik war. Nach vielen Anstrengungen gelang es dann auch für das Jahr 1905 eine Kirchenkollekte zu erhalten. Sie brachte ungefähr 8.200 Mark ein. Für das Jahr 1906 erhielt die Gemeinde die Hauskollekte für die Provinz Westfalen. In der Diözese Münster wurde die Kollekte von berufsmäßigen Sammlern durchgeführt, in der Diözese Paderborn war in dem Jahre gerade eine Neuordnung des Hauskollektenwesens eingeführt. Jeder Pfarrer sollte in seiner Gemeinde durch eingesessene Sammler die Kollekte abhalten lassen. Der Betrag kam an den Dechanten, dieser schickte ihn an das Generalvikariat. Die Unkosten verminderten sich dadurch ganz bedeutend, und da die Baukauer Kollekte eine der ersten mit war, so hatte sie großen Erfolg zu verzeichnen. Aus der Paderborner Diözese erhielten wir den Reinertrag über 20.384,32 Mark. In der Diözese Münster war die Abhaltung der Kollekte schwieriger. Zuerst hatte der Pfarrer selbst die Oberleitung. Dann aber wurde er durch seine Erkrankung daran gehindert und Kaplan Rode weiter damit betraut. Es gab mannigfache Schwierigkeiten zu überwinden, bald wurde der eine Kollektant krank, der andere konnte an dem Orte, wohin er kam, nicht sammeln, weil gerade ein anderer vor ihm dagewesen war. Es mussten dann Ersatzkollektanten gesucht werden. Ohne Berechnung der besonderen Unkosten, die in Baukau entstanden waren, betrug der Reinertrag der Hauskollekte 32.751,95 Mark. Mit dem ertrag der Kirchenkollekte waren es ungefähr 41.000,00 Mark. - Möge Baukau auch nie vergessen, seine Wohltäter im Gebete zu gedenken.

Für den Erweiterungsbau der Kirche legte schon im Juli 1904 Baurat Güldenpfennig in Paderborn seinen Entwurf vor, welcher das Langschiff um zwei Abteilungen verlängerte und durch einen massiven Turm abschloss, wodurch ein Raum für 700 Kirchenbesucher gewonnen werden konnte. Aber die Ausführung unterblieb infolge der Erkrankung des Pfarrers.

 

 

Der Text dieser Seite von Herrn Georg Schumacher wurde in leicht bearbeiteter Form aus der Festschrift "100 Jahre St.-Marien-Gemeinde Herne-Baukau 1896-1996" entnommen.

Der blaue Text wurde entnommen aus:
Chronik Geschichte der Pfarrei Herne-Baukau (maschinenschriftliches Exemplar), Pfarrarchiv

Der grüne Text wurde entnommen aus:
Festschrift zum 50jährigen Jubiläum der Grundsteinlegung der St.-Marien-Kirche zu Herne in Westfalen am 23. Juli 1949